Der Weg zur Präventionskultur in Forstunternehmen
Ende Mai 2019 luden das proSILWA-Projektteam und die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) zu einem „Transferworkshop“ nach Kassel ein. Mit Forstunternehmern, Vertretern von Unternehmerverbänden, Zertifizierungsorganisationen und Waldbesitzern, mit Sicherheitsexperten und Wissenschaftlern, und natürlich mit Vertretern der SVLFG und des proSILWA-Projektteams wurde bei diesem Workshop beraten, wie die Ergebnisse des Projekts proSILWA in der forstlichen Praxis umgesetzt werden können.
Ausgangspunkt: das Projekt proSILWA
proSILWA (Prävention für sichere und leistungsfähige Waldarbeit) ist ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt in dem ein Konzept erarbeitet wurde, mit dem die erfolgreichere und dauerhafte Umsetzung von Präventionsmaßnahmen in Forstunternehmen gefördert werden kann. Der Ergebnis dieses Projekts ist der proSILWA-Prozess: ein Beratungs- und Entwicklungsprozess, der Forstunternehmen dabei unterstützt, Ansatzpunkte für wirksame Sicherheit- und Gesundheitsschutzmaßnahmen zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen, die den aktuellen Bedürfnissen entsprechen und der Situation des Unternehmens gerecht werden.
Der Prozess besteht aus mehreren Phasen (Abb.1): Einer systematischen Analyse der Situation in Forstunternehmen, einem darauf folgenden Beratungsdialog, in dem Unternehmer gemeinsam mit proSILWA-Prozessbegleitern Handlungsbedarf und Maßnahmen identifizieren und der Umsetzung dieser Maßnahmen im Unternehmen. Das Ziel ist, dass Unternehmen damit in einen kontinuierlichen Entwicklungsprozess einsteigen.
Von der erfolgreichen Erprobung in die Praxis
Mit der Vorstellung der Projektergebnisse und ersten Resultate der Evaluation, den Bewertungen des Projekts durch beteiligte Forstunternehmen, bereiteten die Partner des proSILWA-Projekts die Grundlage für die Diskussion darüber, wie dieses Konzept sich mit den Präventionsaufgaben und –aktivitäten anderer Akteure, vor allem der SVLFG, verbinden lässt, beziehungsweise, wie proSILWA diese zielführend ergänzen kann. Denn wie der Koordinator des Verbundprojekts Edgar Kastenholz (KWF) hervorhob, ist proSILWA mit Ende der Projektlaufzeit nicht abgeschlossen, sondern es besteht nun die Herausforderung, die Projektergebnisse in der Praxis umzusetzen. Und hierzu ist es erforderlich, dass Akteure der Prävention zusammenarbeiten.
Präsentation der von den proSILWA-Projektpartnern vorgestellten Ergebnisse hier …
Die Präventionskampagne der SVLFG „Kultur der Prävention“
Aus dieser Blickrichtung stellte Andrea Engemann (SVLFG) die Kampagne „kommmitmensch“ der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung vor, und erläuterte, wie die SVLFG diese umsetzt. Schrittweise werden durch diverse Maßnahmen, wie Schulungen und Informationsmedien die Themenfelder Führung, Kommunikation, Beteiligung, Fehlerkultur, Betriebsklima und als Oberthema Sicherheit und Gesundheit behandelt (Abb 2).
Nach dieser Vorstellung wurde deutlich, dass die Handlungsfelder von kommmitmensch zwar ein wenig andere Formulierungen nutzen als proSILWA, dass es aber um dieselben Inhalte geht. Auch proSILWA strukturiert die Analyseergebnisse anhand von Handlungsfeldern, die dann in einem Spinnennetz dargestellt werden sind (Abb. 3).
Einig waren sich die Workshopteilnehmer darin, dass das von proSILWA entwickelte Analyseinstrument, das mittlerweile als ausführlicher „Selbstcheck“ zum Download zur Verfügung steht, und die Darstellung der Analyseergebnisse Methoden sind, in denen sich die Inhalte der kommmitmensch-Kampagne wiederfinden lassen. Wobei proSILWA bereits auf die besonderen Situationen und Bedürfnisse von Forstunternehmen zugeschnitten ist und deutlich tiefer in die IST-Situation der Unternehmen eintaucht. Es bestand daher kein Zweifel, dass der proSILWA-Prozess die Präventionsarbeit der SVLFG zielführend ergänzen und darüber hinaus erweitern kann.
Prävention ist nur gemeinsam erfolgreich
Neben der SVLFG, die mit ihren rund 350 Aufsichtspersonen Forstunternehmen bei der Umsetzung von Sicherheits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen berät, ist auch die Gütegemeinschaft Wald- und Landschaftspflege (GGWL), die ja auch Verbundpartner des proSILWA-Projekts ist, ein Akteur, der in engem Kontakt zu seinen 1800 Mitgliedsunternehmen steht. Wie Klaus Wiegand und Monika Niemeyer anhand von Ergebnissen einer Befragung der Auditoren der RAL-Zertifizierung vorstellten, spielt das Thema Sicherheit und Gesundheit bei den Zertifizierungsaudits eine große Rolle. Daher sieht die GGWL im proSILWA-Prozess ein wirksames Instrument zur Verbesserung der Situation in den Mitgliedsunternehmen. Wiegand und Niemeyer zogen daher das Fazit, dass die Auditoren als Multiplikatoren wirken können, indem sie Unternehmen auf die Möglichkeiten des proSILWA-Prozesses hinweisen. Hierzu wird bereits im Oktober 2019 eine Auditorenschulung am KWF in Gruß-Umstadt stattfinden.
Gegen eine Zweiklassengesellschaft bei Sicherheit und Gesundheit
Ein weiterer wichtiger Akteur der Prävention sind die auftraggebenden Waldbesitzer. Aus dieser Perspektive präsentierte Udo Ferber, der im Landesbetrieb Rheinland-Pfalz in der Personal- und Organisationsentwicklung tätig ist, grundlegende Überlegungen, wie sich eine Kultur der Prävention in einem großen Unternehmen umfassend umsetzen lässt. Ferber beschrieb hierzu die aktuell im Landesbetrieb Rheinland-Pfalz laufenden Prozesse zur Entwicklung der Sicherheitskultur und die zugrundeliegenden Grundüberlegungen und Haltungen, unter denen hervorgehoben werden kann, dass Sicherheit immer an erster Stelle stehen muss und dass das Miteinander von klarer, fairer und wertschätzender Kommunikation geprägt sein muss. Mit den auf diesen Haltungen aufbauenden Methoden wie dem „Risiko-Lerngang®“, Sicherheitsmomenten und kollegialen Fallberatungen im Team gelang es im Landesbetrieb RLP, Verhaltens- und Einstellungsänderungen zu bewirken (Abb. 4).
Die Präsentation kann hier angeschaut werden ….
Erkennbar ist jedoch, dass sich dies bisher auf die Beschäftigten konzentriert, Forstunternehmen als wichtige Partner in der Wertschöpfungskette bisher aber noch nicht ausreichend berücksichtigt sind. So stellte Ferber in der Diskussion fest, dass der Landesbetrieb in der Tat vor der Herausforderung steht, Forstunternehmen in die „Verantwortungsgemeinschaft Arbeitssicherheit“ einzubeziehen, in der sich jeder auch über eigene Zuständigkeiten hinweg für Arbeitssicherheit verantwortlich fühlt.
Anstöße, Bedingungen und Unterstützung für die Umsetzung von Sicherheits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen in Forstunternehmen
Zur Vorbereitung der abschließenden Diskussion darüber, wie der proSILWA-Prozess in die Unternehmerbranche eingeführt werden kann, wurde in Kleingruppen nochmals diskutiert, welche Voraussetzungen hierfür geschaffen werden müssen. Aus den umfassenden Gruppenergebnissen kann hervorgehoben werden:
Die bisherigen Erprobungen haben gezeigt, dass proSILWA in der Praxis wirkt und von den Erprobungspartnern positiv bewertet wird.
Eigenverantwortung der Unternehmer kann gestärkt werden, wenn sie aus dem „Hamsterrad“ des Alltags herauskommen und sich mit Prävention zur Sicherheit und Gesundheit gezielt auseinandersetzen.
Anreize müssen geschaffen werden. Hierzu gehört insbesondere eine Honorierung von Initiativen zur Verbesserung von Sicherheit und Gesundheit durch Auftraggeber. Für die Umsetzung in die Praxis ist vor allem erforderlich, dass proSILWA durch Öffentlichkeitsarbeit und Werbung mehr Bekanntheit in der Branche erlangt.
Umsetzung des proSILWA-Prozesses
Die Frage, wie es gelingen kann, die Ergebnisse von proSILWA in die Branche einzuführen, wurde zum Abschluss der Veranstaltung im Kreis aller Teilnehmenden ausführlich diskutiert. Dabei wurde deutlich, dass das Beratungskonzept proSILWA trotz umfangreicher Vorstellung in der Fachpresse noch nicht so beschrieben ist, dass in der forstlichen Praxis klar geworden ist, wie der proSILWA-Prozess tatsächlich abläuft.
Einig waren sich die Teilnehmenden, dass proSILWA vor allem solche Unternehmen anspricht, die ohnehin bereits Interesse an einer Verbesserung von Sicherheit und Gesundheit haben. Aber es ist auch klar, dass die Entwicklung von Präventionskultur ein langfristiger Prozess ist, bei dem innovative Betriebe als Beispiel vorangehen werden.
Dem Projektteam wurde nochmals deutlich gemacht, dass für die Beschreibung und die Verbreitung der Projektergebnisse noch einige Hausaufgaben anstehen. Dazu gehören: Das Fertigstellen eines Handbuchs, in dem der Prozess anschaulich beschrieben wird, das Online-Stellen des proSILWA-Leitfadens sowie die Fertigstellung eines Schulungskonzepts für proSILWA-Prozessbegleiter. Und nicht zuletzt gilt es natürlich die Frage zu beantworten, was es ein Forstunternehmen kosten wird, in den proSILWA-Prozess einzusteigen.